19.01.2019, Augsburger Allgemeine
Thorsten Freudenberger, Ye Wenzi (Leiter des Forschungsinstituts für Erziehungswissenschaften in Shenzhen), Gunter Czisch, Heiner Scheffold und ein Teammitglied des Forschungsinstituts mit einem Kunststoff-Einstein.
Firmen aus Ulm und dem Umland engagieren sich schon jetzt in China. Eine Reise und drei Plastikfiguren sollen noch mehr möglich machen – auch bei der Bildung.
VON SEBASTIAN MAYR, Augsburger Allgemeine
Peri hat bei der Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke mitgebaut, einem Mega-Verkehrsprojekt im Süden Chinas. Wieland beliefert den Klimaanlagen-Staatsbetrieb Gree. Beurer unterhält ein Büro in Hongkong und verkauft Heizdecken im Reich der Mitte. Doch auch Mittelständler aus der Region arbeiten verstärkt in China und mit chinesischen Firmen zusammen – vor allem in der Freihandelszone um Shenzhen und Zhuhai. Die Stadt Ulm und die Kreise Neu-Ulm und Alb-Donau wollen vor allem kleineren Unternehmen stärker dabei unterstützen. Die von ihnen getragene Start-up- und Innovationszentrums Ulm/Neu-Ulm TFU GmbH soll mit mehr Rechten ausgestattet werden, damit die TFU eigene künftig Verträge abschließen kann. Auch auf kommunalpolitischer Ebene will die Region mit Shenzhen und Shuzhai kooperieren.
Viereinhalb Tage lang waren Oberbürgermeister Gunter Czisch und die Landräte Thorsten Freudenberger und Heiner Scheffold auf Delegationsreise durch die wirtschaftsstarke Region am südchinesischen Meer. „Das hat man auf chinesischer Seite sehr wohl wahrgenommen, dass die gesamte Region vertreten war. Das hat uns unglaublich Gewicht verliehen“, lobt TFU-Chefin Ulrike Hudelmaier. „Das wir zu dritt als Region aufgetreten sind, hat uns die Tür geöffnet bei der Politik dort“, bestätigt Heiner Scheffold, der Landrat des Alb-Donau-Kreises. Dass sich die Delegation die Reise auf die Reise gemacht hat, sei bei den Unternehmern der Region gut angekommen. „Da kam sogar das Signal: höchste Zeit, dass ihr das macht“, berichtet Scheffold.
Peri, Wieland, Beurer: Große Firmen kooperieren eng mit China
Für Firmen aus Ulm und den beiden benachbarten Landkreisen ist die Region im Süden Chinas Absatzmarkt, Partner und Konkurrent zugleich. Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch beschreibt die Freihandelszone als die Gegend, in der die Modernisierer des Reichs der Mitte am Ruder sind. „Das ist der Hotspot. Und es ist ein Kompliment für unsere Region, dass sie sich für uns interessieren“, schwärmt Czisch. Die Chinesen seien fasziniert von der Idee der Wissenschaftsstadt, von den Innovationen regionaler Unternehmen, von der Ulmer Wirtschaftsgeschichte mit Firmen wie Telefunken – und von Albert Einstein. Drei der Kunststoff-Figuren des berühmten Physikers, die der Konzeptkünstler Ottmar Hörl im vergangenen Sommer auf dem Münsterplatz aufgestellt hatte, verteilte die Delegation an die Gesprächspartner in China.
Die Kontakte zwischen der Kommunalpolitik hier und dort sollen ausgebaut werden. Czisch, Freudenberger und Scheffold erhoffen sich, Unternehmen aus der Innovationsregion Ulm dadurch bei Projekten in China unterstützen zu können. Damit die Kontakte enger werden und eng bleiben, soll es weitere Reisen geben. Denn in der politischen und wirtschaftlichen Kultur der Chinesen sei es wichtig, dass sich die Chefs persönlich zeigen – ein Brief oder ein Anruf genügten nicht. Diese Erkenntnis hat die Delegation aus China mitgebracht.
Partnerschaft zwischen Ulm, Neu-Ulm, Zhuhai und Shenzhen
Eine weitere Erkenntnis ist die: In Shenzhen fahren zwar 16000 Elektrobusse, aber: „Technisch habe ich da nichts Neues gesehen“, sagt Czisch. „Die bringen die Neuerungen einfach schneller auf die Straße.“ Zum Beispiel eben große und kleine batteriebetriebene E-Busse. Die drei Politiker wollen sich dafür einsetzen, dass Entscheidungen schneller umgesetzt und Zulassungen schneller abgeschlossen werden. „Wir brauchen mehr Tüftler-Mut“, fordert Neu-Ulms Landrat Thorsten Freudenberger.
Dass die Partnerschaft nicht auf rein wirtschaftlicher Ebene läuft, zeigt ein Beispiel aus dem Kreis Neu-Ulm. Die Grundschule der Chinesische Akademie der Wissenschaften hat sich mit der Initiative Bildungsregion Landkreis Neu-Ulm auf eine Zusammenarbeit verständigt. Dabei sollen sich zunächst Lehrer austauschen. Bei dem Austauschprogramm geht es um moderne Erziehungs- und Bildungskonzepte. Die Delegation aus der Region hat sich bei ihrer Reise erste Eindrücke der chinesischen Pädagogik-Ansätze geholt: einerseits Unterricht in kleinen Gruppen, andererseits ein deutlich strengeres Verständnis von Disziplin als es hierzulande üblich ist. „Da prallen auch Kulturen aufeinander“, berichtet der Landrat.
Im Kreis Neu-Ulm ist die Sendener Bürgermeister-Engelhart-Grundschule der Vorreiter bei der Partnerschaft. „Sobald es sich bewährt, wollen wir es auf Ulm und den Alb-Donau-Kreis ausrollen“, kündigt Freudenberger an.